Bericht von der VÖÖ-Jahrestagung 2024

16 Dez.. 2024 | Mitgliederversammlung, Veranstaltungen, VÖÖ

Jahrestagung der Vereinigung für Ökologische Ökonomie 2024

Gesellschaftliche Naturverhältnisse und Ökologische Ökonomie

Die Jahrestagung der VÖÖ am 25.10.2024 kennzeichnete nicht nur die sehr hohe Qualität der einzelnen wissenschaftlichen und praxisbezogenen Beiträge. Ganz besonders kennzeichnete diese Konferenz unter dem Titel „Gesellschaftliche Naturverhältnisse und Ökologische Ökonomie“ ihre beeindruckende thematische und wissenschaftliche Bandbreite im Themenspektrum Ökologischer Ökonomie und Ökonomik.

Mit einem Beitrag zur formalen Analyse und Internalisierung sozial kontextualisierter, ökologischer Werte und Ökosystemdienstleistungen in einem komplexen Framework ökonomischer Umweltbewertung, eröffnete Dr. Julian Massenberg (Aarhus University) die Konferenz. Sein Vortrag unter dem Titel „Vom Offensichtlichen zum Obskuren?“ verdeutlichte eindrucksvoll die Komplexität und Kompliziertheit der Übersetzung normativer und ökologisch-qualitativer Werte in formale ökonometrische Zusammenhänge, ohne die viele der Diskurse um eine Wirtschaftsweise im Einklang mit den ökologischen Grundlagen unserer Erde an der Oberfläche blieben [zur Präsentation].

Von einer in vieler Hinsicht unterschiedlichen Perspektive, aus einer soziokulturellen Blickrichtung erklärte hierauf Dr. Hannah Heller (Universität Witten/Herdecke) die Interdependenz und immanente Stabilität sozioökonomischer Regime anhand ihrer Analyse langfristig prägender und kulturell verankerter ökonomischer Narrative. In ihrer Arbeit – ausgezeichnet mit dem Kapp-Forschungspreis 2024 – entlang der Lebens- und Wirtschaftsrealitäten der Ernährungsindustrie postuliert sie den hiesigen Wirtschaftsgeist als Kultur eines transformativen Wirtschaftsstils und entwickelt daraus einen Vorschlag für eine neue Erzählung der Großen Transformation [zur Präsentation].

Mit Luana Schwarz (PIK) folgte die zweite Gewinnerin des diesjährigen Kapp-Forschungspreises im Programm der Jahrestagung, deren Vortrag auf eigene Forschungsarbeiten im Kontext regionaler Gemeinschaften in Costa Rica, Deutschland und den Niederladen rekurriert und transformative Prozesse in einem kontextsensitiven Analyse- und Syntheserahmen herausarbeitet. In Zusammenhang auch zum vorangegangenen Impulsvortrag konnten so empirisch fundierte, sozioökonomische und -kulturelle Transformationspfade diskutiert und herausgearbeitet werden, die die Entwicklung einer globalen regenerativen Landwirtschaft mit entsprechenden Veränderungsprozessen in regionalen Kontexten verbindet [zur Präsentation].

Noch grundsätzlicher stellte Oliver Parodi (ITAS) das Mensch-Natur-Verhältnis an sich in den Mittelpunkt seines Tagungsbeitrags und skizzierte dessen historische Genese und Veränderungsprozesse im Laufe der Menschheitsgeschichte. Sein kulturphilosophischer Schluss: Wenn es eine bestimmte geistesgeschichtliche Entwicklung gibt, die die Menschheit in ein modernes, vielfach instrumentelles, Naturverhältnis geführt hat, braucht die Große Transformation nicht weniger als auch eine philosophische Innovation in der Art und Weise wie wir uns und unsere Umwelt wahrnehmen. Wie diese aussehen könnte, bot den Raum für spannende, weiterführende Diskussionen [zur Präsentation].

Jürgen Kopfmüller (KIT) führte die Jahrestagung thematisch wieder in einen mehr alltäglichen Erfahrungsraum – den Forschungsprozess und dessen organisatorischen und institutionellen Kontext – und bot einen inspirierenden Einblick in seine Forschung zur Wirksamkeit sogenannter ‚weicher Faktoren‘ auf Verantwortlichkeit sowie Qualität wissenschaftlicher Arbeit. Damit schlug er auch den Bogen zurück zu den soziolulturellen Arbeiten Hellers und Schwarz‘, indem er erneut lokale Handlungszusammenhänge in ihrer Bedeutung als Transformationszellen einer Gesamtentwicklung vermaß [zur Präsentation].

Judith Block (Future:Project) griff diesen Kanon auf und stellte ihn zuvorderst in den Rahmen paralleler wirtschaftlicher Entwicklungsdynamiken. In der Praxis setze sich Transformation in vielfältigen, teils divergierenden Mega- bis hin zu Subtrends in verschiedenen Branchen und Wirtschaftszusammenhängen um, die vielfach auch die Ambivalenz des Fortschrittsbegriffs an sich in sich trügen.

Mit dem Vortrag von Grazyna Adamczyk-Arns und Ulrich Dilger (IBA ’27) verlagerte sich der Fokus der Konferenz zum Abschluss dann auf eine unmittelbare Umsetzungsebene der Transformationsprozesse in Städtebau und Quartiersgestaltung. Ihre Einblicke in entsprechende Planungen und Projekte im Raum Stuttgart – ausführlich aufgearbeitet anhand des Projekts „Agriculture meets Manufacturing“ in Fellbach – boten den Rahmen, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Konferenz entlang eines praktischen Handlungskontexts zu reflektieren und diskutieren [zur Präsentation].

Nachdem sich auf Grundlage der bisherigen Vorträge und Runden eine weiterführende und hochspannende Diskussion ergeben hatte, entschied unser Vorsitzender André Reichel als Moderator der Jahrestagung auf seinen abschließenden Vortrag „Half-Earth Socialism als politisch-ökonomische Alternative?“ zu verzichten. Damit konnten wir den zeitlichen Rahmen schaffen, um die vielversprechenden und inspirierenden Ansätze des Tagungsprogramms gemeinsam in aller Ausführlichkeit zu reflektieren. Den Vortrag möchten wir dennoch hier exklusiv zur Verfügung stellen [zum Vortrag].