Die Gründung der VÖÖ und
unsere Philosophie

Unsere Herkunft

Die Vereinigung für Ökologische Ökonomie wurde im April 1996 in Heidelberg von 50 Wissenschaftler:innen aus dem deutschsprachigen Raum gegründet. Sie verband die Überzeugung, dass die Forderungen des UNO-Gipfels 1992 von Rio de Janeiro, überall eine wirklich nachhaltige Entwicklung einzuleiten, berechtigt sind und umfassend nach Umsetzung verlangten. Seither ist die Einsicht hinzugekommen, dass das Wachstumsdogma das größte Hindernis auf diesem Wege ist. Die ökonomischen Wissenschaften allein sind mit der sich hieraus ergebenden Reformaufgabe überfordert. Andere Wissenschaften, eine veränderungsbereite Politik und die kulturellen Kräfte der ganzen Gesellschaft werden gebraucht, um den notwendigen Wandel umzusetzen und zu gestalten.

Die Grundlagen unserer Philosophie

Kein Begriff ist mit der ökologischen Ökonomik so eng verbunden wie der der Nachhaltigkeit. Früher ein Fachbegriff der Land- und Forstwirtschaft, ist er im Zuge der Debatten um „sustainable development“ zu einem heute nahezu überall verwendeten und dabei auch zerredeten Schlagwort geworden. Leider sind dabei wichtige Merkmale echter Nachhaltigkeit vor allem in der politischen Rede verloren gegangen, so dass heute alle Parteien damit werben, „für Nachhaltigkeit“ zu sein. Aber auch in der Ökonomik unterscheidet der Begriff leider nicht mehr zuverlässig zwischen denjenigen, die die vollen Konsequenzen des nötigen Verhaltenswandels wahrnehmen und denjenigen, die nur eine „Nachhaltigkeit light“ meinen.

Die Ökologische Ökonomie geht von einem integrativen Verständnis von natürlicher und kultureller Entwicklung aus. Im Unterschied zu den vorherrschenden Lehren der Neoklassik, aber auch anderer konventioneller ökonomischer Richtungen wird dabei Wirtschaft nicht als unabhängig von der Natur verstanden, sondern bleibt auf deren möglichst wenig gestörten Fortbestand und ihre Vitalität angewiesen. Nur in diesem Rahmen kann sie für die soziokulturelle Sphäre eine fruchtbare, dem Leben auf der Erde dienende Funktion erlangen.

Ökologische Ökonomen erforschen und entwickeln daher Konzepte und Handlungsansätze für natur- und sozialverträgliche Wirtschafts- und Lebensweisen, die eine Koevolution von Wirtschaft und Gesellschaft im Einklang mit den naturgesetzlichen Rahmenbedingungen ermöglichen sollen. Die gegenwärtig herrschenden Wirtschaftsweisen sind damit zu großen Teilen unvereinbar. Ein solcher Ansatz führt zwangsläufig zu einer radikal wachstumskritischen Position. Die Propagierung des wirtschaftlichen Wachstums als Hauptziel einer gut funktionierenden Wirtschaft wird unhaltbar. Sie wird zu einer Falle, in der wir uns immer mehr verfangen und der wir nur entkommen, wenn wir das Wachstumsdogma nicht nur abschwächen und mildern, sondern aufgeben. Daher muss mit allen rationalen und demokratischen Mitteln ein Ausweg aus der Sackgasse der heutigen Wachstumswirtschaft gesucht und entschieden angestrebt werden. Dies ist die Zielsetzung der VÖÖ.

Im Unterschied zu vielen, die heute von Nachhaltigkeit reden, ohne diesen Begriff in seiner vollen Bedeutung zu verstehen, erfordert eine wirklich nachhaltige Entwicklung also nicht eine Umdefinition von Wachstum, sondern die Abkehr vom Wachstumsziel. Dies bedeutet, dass wir einen tiefgreifenden Wandel unserer politischen und ökonomischen Kultur benötigen, der viele Lebensbereiche, Denkweisen, Handlungsfelder und Überzeugungen mitumfassen muss. Ohne selbstorganisierende Verständigungsprozesse in Kooperation mit allen Betroffenen und Mitwirkenden ist dies, allein durch Forschung und Lehre, nicht zu bewältigen. Was dies bedeutet, können wir im Grundsatz durch eine sorgfältige Beobachtung der Natur und ihrer evolutionär gewachsenen Systeme lernen.

In der Natur gibt es Konkurrenz, Dominanz und Verdrängung, aber langfristig überlebensfähig sind eher arbeitsteilige, Vielfalt und Verschiedenheit tolerierende symbiotische Gemeinschaften. Deshalb müssen in einer zukunftsfähigen menschlichen Wirtschaft und Gesellschaft Prinzipien der Subsidiarität, der Kooperation und Partizipation eine wichtigere Rolle spielen als heute, ebenso auch ein neues Rollenverständnis des Staates. Dies ist nicht zu leisten ohne zunehmende Entfaltung und Förderung der bislang ungenutzten Kreativitätspotentiale der Gesellschaft, wobei der entschiedenen Förderung einer offenen, frei sich entfaltenden Bildung und Wissenschaft eine wichtige Rolle zukommt.

In voller Konsequenz muss eine Nachhaltigkeitswirtschaft auch eine Postwachstumswirt-schaft sein. Aus Sicht der VÖÖ ist keiner der vielen Versuche, Wachstum in irgendeiner Form mit Nachhaltigkeit zu verbinden, überzeugend. Die Rede von „nachhaltigem Wachstum“ verschleiert den Gegensatz von Wachstum und Nachhaltiger Entwicklung. Dies grenzt uns von nicht wenigen anderen Positionen und Vereinigungen ab, die in diesem Punkt weniger radikal denken. Man kann natürlich begrenzt miteinander kooperieren, zumal die gesellschaftlich-politische Realität von der klaren Position der VÖÖ weit entfernt ist. Aber die grundsätzlichen Differenzen werden hierbei nicht ausgeräumt.

Die Ökologische Ökonomie ist transdisziplinär angelegt. Dies bedeutet mehr als Interdisziplinarität, nämlich die Akzeptanz der Tatsache, dass auch Wissenschaft zur Praxis des sie umgebenden Lebens offen sein muss. Den notwendigen neuen Blick auf die Sachen erhalten wir immer von außen. Deshalb entwickeln Ökologische Ökonomen nicht nur zukunftsfähige und möglichst ganzheitlich ansetzende Konzepte der Ökonomie, sondern versuchen auch, zu einem stärker verantwortungsgeleiteten und lebensoffenen, kritischen Selbstverständnis von Wissenschaft beizutragen.

Oft sind es die komplexen Vernetzungen, die uns in der Ökologischen Ökonomie am meisten beschäftigen müssen. Gerade im Reformraum der Begegnung von Wissenschaft und Wirtschaft sind informationelle und kommunikative Netzwerke sehr wichtig, um die Komplexität und Knotenpunkte der Konzepte und Probleme zu verstehen. Dabei spielen heute auch die verschiedensten Medien eine die Sachlage zusätzlich verwickelter machende Rolle. Je weitläufiger solche Informationsnetzwerke sind, desto schwieriger wird es, sie zu durchschauen und klar zu überblicken.

Die VÖÖ versucht, diese Tatsache anders als viele, die sie vorschnell zu sehr vereinfachen, nicht zu verdrängen. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass bei der Reform unserer Wirtschafts- und Lebenskultur nicht nur Wissenschaftler aller Couleur mitreden dürfen und müssen, sondern auch außerwissenschaftliche Expertise aus allen Lebensbereichen dringend benötigt wird. Keinesfalls sind die ökologische Ökonomik und die Präzisierung und Herbeiführung der Postwachstumsökonomie eine Sache von Ökonomen allein.

Die Vernetzung der verschiedenen sozialen und kulturellen Systeme, die heute sehr weitgehend über Medien geschieht und gefiltert wird, ist eine Erschwernis und eine Chance. Sie erschwert das Finden einer schnellen Lösung, aber sie ermöglicht das Einbringen kreativer Perspektiven von außen. Deshalb gibt die VÖÖ gern denjenigen Raum, die mit neuartigen und nichtkonventionellen Beiträgen hierzu die nötigen Debatten bereichern können.

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