Faust erkläre, so der Volkswirt Hans Christoph Binswanger in seinem 2005 erschienenen Buch über Geld und Magie, „die Wirtschaft als einen alchemistischen Prozess: als die Suche nach dem künstlichen Gold, eine Suche, die sich für denjenigen, der sich ihr einmal verschrieben hat, schnell in eine Sucht verwandelt. Wer die Alchemie der Wirtschaft nicht versteht, so lautet die Botschaft von Goethes Faust, kann die ungeheuerliche Dimension der modernen Wirtschaft nicht erfassen.“
Für Binswanger war die Fixierung der modernen Wirtschaft auf Geld, und eben nicht auf Sachgüter, der Ausgangspunkt für ein tieferes Verständnis der vielen durch Wirtschaftsprozesse erzeugten ökologischen, sozialen und auch mentalen Probleme. Im Kern gehe es um ein alchimistisches Glaubensbekenntnis zur Möglichkeit kontinuierlichen Wachstums der Produktion ohne eine entsprechende Erhöhung des Leistungsaufwands. Blei wird zu Gold. Im Gegensatz zu den Klassikern der modernen Wirtschaftswissenschaften, die am Grunde des in Geldwerten ausgedrückten Preises eines Gutes immer die realen Aufwände der Wertschöpfung gesehen haben, stellt Binswanger auf den ‚magischen‘, den faustischen Teil des Wirtschaftens scharf: Werte können eben nicht ausschließlich durch irgendeine Leistung dahinter erklärt werden.
Nur weil es diesen Teil der Wirtschaft gebe, der sich nicht aus realen Werten speise, sondern aus irrealen oder virtuellen Zuschreibungen, habe sich die Vorstellung einer endlos wachsenden Wirtschaft festigen können. Sie wird rekursiv zur Voraussetzung ihrer eigenen Endlosigkeit. Vereinfacht gesagt: an Wachstum muss man bedingungslos glauben, genauso wie man an den alchimistischen Prozess der Transmutation von Blei zu Gold glauben muss. Sonst verliert die ganze Sache ihren Sinn.
Mit diesen Deutungen eckte Binswanger naturgemäß in der ökonomischen Zunft an. Es war solches Querdenken im besten Sinne, die ihn auch zu einem der Gründungseltern der deutschsprachigen Vereinigung für Ökologische Ökonomie VÖÖ e.V. werden ließ. Hans Christoph Binswanger verstarb am 18. Januar 2018 in St. Gallen im Alter von 88 Jahren. Die VÖÖ wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Prof. Dr. André Reichel, im Namen des Vorstands der VÖÖ